Spinnereistr. 7 Halle 18.H
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‘Sovereign Tales’, a group exhibition with Irma Blumstock, Ahu Dural, Peggy Pehl, Grażyna Roguski
Co-curated by Irma Blumstock & Peggy Pehl
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Im gleißenden Licht blinzelte er noch einmal, als er anvisierte. Die Wut, die Enttäuschung. Die Angst, ihre Abwesenheit wieder ertragen zu müssen. Er sah, wie sie an ihren Nägeln kaute, während sie dort stand und überlegte: Honey Loops? Crunchy Nuts? Alpha-Bits? Ihre Hand streckte sich nach oben, die Finger ausgestreckt, als wollte sie einen störrischen Vogel von einem Ast pflücken, der gerade außerhalb ihrer Reichweite war. Schon an der Bushaltestelle, als sie nicht ausgestiegen war, war ihm bewusst geworden, dass es sein könnte, dass er sie vielleicht nie wiedersehen würde. Von nun an war er auf sich allein gestellt. Er zog seine kleinen Cowboyboots an, legte den Colt um und schritt entschlossen auf sie zu. Sein Gegner war die Einsamkeit, auch wenn dies das Ende der Zweisamkeit bedeutete.
Light and easy, sticky and careless. Beim zweiten Blinzeln verschwammen die bunten Farben der Verpackungen im meterhohen Regal vor seinen feuchten Augen. Ein Spiel mit der Zeit. Sie vergeht – sie hält an. Lang - zu schnell. Intensiv - unbrauchbare Versprechen.
Noch immer, wenn er an damals dachte, wurde seine Kehle klebrig. Aber ein Taucher im Ozean bemerkt wohl kaum den Regen. «Ich würde nicht sagen, dass ich dir böse bin, aber mir geht es auch nicht gut.» Er kannte Dankbarkeit, Verständnis und Mitgefühl nur als leere Worthülsen. Doch in dem Moment, als er den Löffel zum wiederholten Mal zu seinem Mund führte und kurz inne hielt, trat die freundliche, aber zynische Kellnerin heran und sagte: „Looks like you got a ‘No-show’,“ während sie ihm zum zweiten Mal Kaffee nachschenkte. Plötzlich hielt er den Löffel in der Hand, und solange er ihn nicht bewegte, würde alles so bleiben, wie es war.
(Irma Blumstock)
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Warum erzählst Du nichts? fragte sie mich, in einer tröstlichen Manier. Wer hat Ihn hergeschickt? fügte sie mir zugewandt hinzu.
Es war noch früh am Abend und das goldgelbe Licht der Gaslaternen im Park hatte seine Aufgabe begonnen, Pfade gekennzeichnet und Büsche zu unbeholfenen Verstecken mutieren lassen. Ich verließ den kieseligen Weg, beschritt einen Trampelpfad, lief in das Gebüsch mit den größten Wölbungen. Aus dem Rascheln heraus entstand ein Moment völliger Stille, ich ließ “sie” hinter mir, zurück in ihrer antwortlosen Unterhaltung, da diese weder mir noch ihr gelingen wollte und so oder anders zu nichts ausser Karusselgedanken führen würde. In der Nacht fuhr ich über die leere vierspurige Fahrbahn, zweimal den Kreisverkehr umkreisend, in tiefen Gedanken schwelgend und Erinnerungen in meinen Kopf parkend, mit Lastengazelle nach Hause. Ich hatte einen inneren Glücksmoment bei je dem Hervorrufen seines Kusses. Was für eine Euphorie, in der ich drei Monate lebte, solch ein besonderer Zeitverbrauch, das Treiben auf der Wolke parallel zu meinen vielen Tätigkeiten. War alles vorbei?
(Ahu Dural)
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“Schwebend erhebt sich ein eiserner Schnabellatsch mit schleifchenverzierter Beinröhre in majestätischer Vertikale über die sanft geschwungene Hügellandschaft des Département XX. Scharf und geschwungen macht das Konstrukt keinen Anschein, in das felsige Terrain der Natur eintauchen zu wollen. Da fragt man sich:
Was willst du hier, wenn nicht zerstören?
Mit deiner dich zusätzlich schmückenden Trauerschleife, die dich zur stacheligen Witwe formt, türmst du dich wie eine Parallelschöpfung in die Totale einer atemberaubenden Horizontalen – die Natur –, ohne den geringsten Anschein, dich verstecken zu wollen.
Bist du etwa ein Narzisst in deiner augenfälligen, künstlichen Fremdheit?
Oder stehst du als Subjekt der Freiheit und des Selbstbewusstseins, als autonomes Cogito, in einer Umgebung, die nicht mehr die Möglichkeit hat, sich als eigenständige Intuition in gleicher Weise auszuleben?”
(Peggy Pehl)
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No one knew for certain who KR really was. There were many delectable rumours that circulated about her – that her father was a baron or that her mother was the daughter of a high-ranking diplomat – and K’s increasingly mannered appearance and way of speaking lent themselves marvellously to fuelling such rumours.
The one thing everyone knew about K was her fabulous wealth. She was heir to an industrial fortune – was it chocolate, car supplies or condensed milk? – the source differed according to who was telling the story, but the private means was an accepted fact. Everyone knew that KR was rich and did not have to work, because that is what K told them.
(Grażyna Roguski) — based on Alicia Drake ‚The Beautiful Fall‘, 2006